Väter in der Care-Arbeit
Sicht auf Care-Arbeit
Patrick, wie definierst du Care-Arbeit und welche Bedeutung hat sie für dich persönlich?
Care-Arbeit ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Kurz gesagt beinhaltet sie für mich, für die Menschen, die mir wichtig sind, da zu sein und mich um sie zu kümmern.
Timo, inwiefern hat sich deine Sicht auf Care-Arbeit verändert, seitdem du Vater geworden sind?
Im Grunde hat sich die Sicht auf die Care-Arbeit bei mir schon angefangen zu verändern, als meine Frau zum ersten Mal schwanger war und wir uns Gedanken gemacht haben, wie wir zukünftig Familie und Beruf abgestimmt bekommen. Seitdem haben wir viele Abende zu dem Thema männlich und weiblich geprägte Sichtweisen und Positionen ausgetauscht und uns dabei angenähert. Dieser Prozess hält an.
Wie ist es bei dir, Martin?
Tatsächlich überrascht hat mich, wie viele Dinge man rund um die Uhr erledigen und im Kopf haben muss, während man die Kinder betreut und eigentlich gar nichts erledigt bekommt. Aber das wird sicher besser, wenn sie älter sind (sage ich mir seit fünf Jahren…).
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Umsetzung der Vereinbarkeit in Arbeit und Familie
Timo, aktuell arbeitest du nicht mehr in Vollzeit. Wie hat das im Job für dich funktioniert?
Grundsätzlich funktioniert das sehr gut. Der Job als Wirtschaftsprüfer lässt sich an vielen Tagen flexibel gestalten. Dabei ist es meines Erachtens sehr wichtig, dass man sowohl intern als auch gegenüber dem Mandanten die Umstände transparent darstellt. Aktuell arbeite ich 80%. Mittwochs nehme ich einen Teilzeittag, während ich an den restlichen Tagen voll arbeite. Im Team und auch bei den meisten meiner Mandanten ist das bekannt und wird auch absolut respektiert. Natürlich bekomme ich auch an meinem Teilzeittag E-Mails und Anrufe. Wenn die Themen aber nicht von Dringlichkeit sind, reagiere ich hierauf dann am nächsten Tag.
Und bei dir Martin?
Die letzten zwei Jahre habe ich Teilzeit in Elternzeit gearbeitet und mich an drei Nachmittagen pro Woche um die Kids gekümmert. Zu Beginn war es noch schwieriger, den Kollegen zu erklären, dass eine Telco um 16 Uhr ungünstig ist, weil man da gerade die Dreijährige zum Turnen bringt. Inzwischen funktioniert glücklicherweise mobiles Arbeiten so gut, dass man dringende Sachen auch abends noch erledigen kann.
Timo gibt es Vorurteile oder Stereotypen, die dir begegnet sind, seit du in Teilzeit arbeitest?
Ich würde nicht sagen, dass ich mit größeren Vorurteilen konfrontiert wurde. Aber gewisse Stereotypen sind unverkennbar vorhanden. Es ist in meinem Umfeld eher noch die Ausnahme, dass auch Väter einen spürbaren Anteil der Care-Arbeit übernehmen. Tatsächlich erhalte ich viel positive Resonanz à la „Super, dass du das machst“. Grundsätzlich freue ich mich über solche Reaktionen. Gleichzeitig zeigen sie aber auch, dass es aktuell noch nicht gewöhnlich ist, wenn Väter Care-Arbeit übernehmen. Meine Frau, die allein durch Mutterschutz und Elternzeit in den ersten Monaten nach den Geburten von uns beiden den deutlich höheren Anteil an Care-Arbeit übernommen hat, hat solche Reaktionen nicht bekommen – bei Müttern wird es eben als selbstverständlich angesehen. Das muss sich ändern.
Patrick, was hast du besonders an deiner Elternzeit genossen?
Kinder verändern alles. Einen selbst, den Partner/die Partnerin, wie man Dinge wahrnimmt… Die Elternzeit war wie eine zweite Kennenlernphase. Dabei war natürlich nicht immer alles eitel Sonnenschein, aber doch der ganz große, überwiegende Teil!
Timo, wie unterstützt dich Rödl & Partner, um Care-Arbeit und Beruf besser vereinbaren zu können?
In meinem Team wird der Umstand, dass ich wegen der Care-Arbeit 80 % arbeite total respektiert, z. B. in dem Rücksicht darauf genommen wird, wenn ich zu gewissen Zeit nicht unmittelbar erreichbar bin. Gleichzeitig bieten wir bei Rödl & Partner flexible Arbeitszeitmodelle, die es Eltern ermöglichen, Care-Arbeit und Beruf besser zu vereinbaren.
Martin, wenn du jetzt an deinen Alltag mit deiner Frau und deinen Kindern denkst. Wie sieht das geteilte Fürsorgesystem bei euch aus?
Die Bürotage meiner Frau starten früher, deshalb bringe ich die Kinder morgens zur Kita. Montags und dienstags holt meine Frau die Kids und ich bin in Präsenz im Büro, wenn nötig, auch mal länger. An den übrigen Tagen bin ich ab 15 Uhr mit den Kindern unterwegs.
Und bei euch Patrick?
Auch wenn wir es nie so ganz klar aufgeteilt haben, hat sich doch ein gewisse Aufteilung verfestigt. Meine Frau ist die Planerin. Sie organisiert unser soziales Leben (Freunde treffen, Familienbesuche, Events etc.). Ich bin eher der „Handwerker“. Ich starte früh in den Tag, bereite die Kids morgens für die Schule und die Kita vor, bringe sie nachmittags zum Sport oder in die Musikschule etc.. Den Haushalt teilen wir uns nach den jeweiligen Stärken auf. Recht und Ordnung liegen bei meiner Frau. Das leibliche Wohl und die Funktionalitäten liegen in meiner Verantwortung.
Ich glaube, dass aufgrund unserer Sozialisierung die klassische Rollenverteilung – die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder, während der Mann sich um die (finanzielle) Versorgung der Familie kümmert – unverändert bei vielen Vätern verankert ist, und sei es nur im Unterbewusstsein. Ich kann auch von mir selber sagen, dass ich anfangs eine große Hemmschwelle hatte, das Thema in meinem Team anzusprechen und umzusetzen.
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Gleichberechtigung in der Care-Arbeit
Timo, was gewinnen Väter, wenn sie sich die Care-Arbeit gerecht mit ihrer Partnerin/ihrem Partner teilen?
Neben schönen Momenten mit ihren Kindern gibt es mir darüber hinaus persönlich ein gutes Gefühl, auch privat Verantwortung zu übernehmen. In unserem kleinen Kreis der Familie führt dies zu einer gleichberechtigten Verteilung der Aufgaben. Ich möchte es nicht zu hoch aufhängen, aber ich habe auch das Gefühl, dass wir damit einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und sei es nur im Rahmen einer gewissen Vorbildfunktion. Zudem wird es in Zeiten von Fachkräftemangel immer wichtiger, dass auch Mütter so viel wie möglich am Arbeitsleben teilnehmen.
Was denkst du, Martin?
Sie sind bei der Entwicklung der Kinder ganz nah mit dabei, bekommen Sorgen und Probleme mit und werden vollwertige Vertrauenspersonen und Ansprechpartner und können Vorbild sein – zumindest ist das bisher so, vielleicht ist die Fünfjährige in zehn Jahren auch total genervt von mir… Auf jeden Fall ist die Familiensituation wesentlich ausgeglichener und entspannter, wenn beide Eltern als Kontaktfläche für die Kids zur Verfügung stehen und sich auch mal gegenseitig Feedback geben können.
Deiner Meinung nach, wie hängen die Beteiligung von Vätern in der Care-Arbeit und die Karrieremöglichkeiten von Frauen miteinander zusammen, Martin?
In unserem Fall ist es so, dass meine Frau ihren aktuellen, sehr spannenden Job als Digitalisierungsmanagerin nicht in der Form machen könnte, wenn sie allein voll für die Kinder verantwortlich wäre. Wir haben keine Großeltern in der Nähe, denen wir Enkelzeit schmackhaft machen könnten, die Betreuung außerhalb der Kita-Zeiten hängt im Wesentlichen an uns Eltern. Für Ganztagesworkshops oder wenn die Kinder krank sind, braucht meine Frau also auch mal den Rücken frei, und das geht besonders gut, weil die ganze Familie ein eingespieltes Team ist.
Patrick, was würdest du Vätern oder werdenden Vätern raten, die überlegen, ob und wie lange sie Elternzeit nehmen sollen, oder ihre Arbeitszeit reduzieren wollen?
Unsere Kinder werden so schnell groß, wie schnell die Zeit vergeht, nehme ich tatsächlich erst so richtig wahr, seit unsere Kinder auf der Welt sind. Gerade die erste Zeit nach der Geburt bis hin zum Grundschulalter (vielleicht sogar darüber hinaus – aber so weit bin ich noch nicht) kann man nicht mehr nachholen. Deshalb wäre mein Rat, sprecht mit eurem Partner/eurer Partnerin offen darüber, was ihr wollt. Und wenn das richtige für euch (beide) ist, dann nehmt euch die Zeit für eure Familie, für eure Kinder und für euren Partner/eure Partnerin.
Für mich war immer klar, dass ich Elternzeit nehmen und gerade nach der Geburt für meine Frau und die Kinder da sein will. Meine Führungskräfte und das Team haben mich dabei voll unterstützt.
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Gesellschaftlicher Wandel
Welche Veränderungen würdest du dir im Hinblick auf die gesellschaftliche Wahrnehmung von männlicher Care-Arbeit wünschen Timo?
Wir sollten als Gesellschaft irgendwann dahin kommen, dass männliche Care-Arbeit nicht mehr außergewöhnlich ist. Nach meiner Wahrnehmung haben uns hier die skandinavischen Länder schon einiges voraus. Beispielsweise ist in Schweden die Verteilung der Care-Arbeit schon deutlich weiter zwischen Frauen und Männern gleichverteilt.
Patrick?
Ich glaube nicht, dass es die „männliche Care-Arbeit“ ist, die zu wenig Beachtung findet. Würde die Care-Arbeit allgemein eine größere Wertschätzung erhalten, wäre es vermutlich egal, wer sie macht.
Und du Martin?
Die Entscheidung, für die eigene Familie da zu sein, sollte als selbstverständlich gesehen werden und nicht als Entscheidung gegen berufliche Leistung. Das gilt für Väter wie für Mütter. Ich glaube, wir müssen uns alle stärker in Erinnerung rufen, dass für gute Arbeitsleistung nicht allein ausschlaggebend ist, wie viele Abendstunden und Wochenenden man im Büro verbringt. Langfristig kann man nur gut abliefern, wenn daneben auch andere Themen wichtig sein dürfen, wie das private Umfeld und die eigene Gesundheit. Und auch die gleichberechtigte Karriere von Müttern sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Das klappt nur, wenn auch die Väter volle Verantwortung in der Erziehung und Betreuung übernehmen.
Vielen Dank für das Interview!